Dienstag, 27. September 2016

Rezension: Satin Island



Titel: »Satin Island« von Tom McCarthy (erschienen bei der Deutschen Verlags-Anstalt)

Preis: 19,99€ (Hardcover)

Seitenzahl: 220

Bewertung: 2,5/5

Klappentext: U., der sich selbst »Firmenanthropologe« nennt, erhält den Auftrag, den Großen Bericht zu schreiben, ein universales ethnografisches Dokument, das unser gesamtes Zeitalter zusammenfasst. Doch schnell fühlt er sich überwältigt von der schieren Datenmenge und der augenscheinlichen Unmöglichkeit, das Vorgefundene in eine irgendwie geartete, sinnstiftende Erzählung zu übersetzen. Als er sich zu fragen beginnt, ob sein Vorhaben überhaupt gelingen kann, verändert ein Traum von einer apokalyptischen Stadtlandschaft, in deren Mitte eine gigantische Müllverbrennungsanlage thront, seine Wahrnehmung. (https://www.randomhouse.de/Buch/Satin-Island/Tom-McCarthy/DVA-Belletristik/e446029.rhd)

Meinung:
Als ich den Klappentext gelesen habe, war ich mir nicht sicher, was mich in diesem Buch eigentlich erwartet, aber ich war wahnsinnig gespannt und mir war klar, dass ich es definitiv haben und so bald wie möglich lesen muss. Ich war schon nach wenigen Seiten von Tom McCarthys Schreibstil voll und ganz überzeugt. Er drückt sich sehr gewählt und anspruchsvoll aus, man hat teilweise eher das Gefühl, dass man eine philosophische Abhandlung liest, anstatt einer fiktiven Geschichte. Ich glaube, ich habe mir noch nie so viele interessante Zitate auf so wenigen Seiten markiert. Sprachlich ist das Buch wirklich ganz große Klasse!

Der Protagonist U., dessen kompletten Namen der Leser nie erfährt, ist Anthropologe und wird von dem Konzern, für den er arbeitet, beauftragt den Großen Bericht zu schreiben. Was der alles beinhalten soll, was genau das überhaupt sein soll, wird nie wirklich erklärt, man soll es sich vielmehr selbst zusammenreimen. Es soll ein Werk sein, das den Zeitgeist festhält. Dass wir darüber eigentlich nicht besonders viel erfahren und dass in diesem Buch in gewisser Maßen auch nicht viel passieren wird, kündigt U. aber schon im zweiten Kapitel an.


»Ereignisse! Sind Sie hinter solchen her, hören Sie am besten gleich auf zu lesen.« (S.23)


Und das Buch ist tatsächlich nicht besonders ereignisreich. Es ist eher wie eine Patchwork-Decke aus zahlreichen Momenten und Gedanken, die U. auf irgendeine Weise beschäftigen. Beispielsweise sieht er ganz am Anfang des Buches eine Nachrichtenmeldung über einen Fallschirmspringer, der bei einem Sprung ums Leben kommt. Dieser Todesfall lässt ihn nicht los und er will diesem, so wie vielen vergleichbaren Fällen auf den Grund gehen und irgendeine tiefere Bedeutung, einen höheren Grund, ein Muster finden.


»[D]ann können wir sagen: Da ist es, es regt, nähert sich, selbst wenn es in Wirklichkeit nichts ist, selbst wenn es nur Tintenkleckse sind.« (S.10)


Es geht in dem Buch also weniger wirklich darum, den Zeitgeist festzuhalten, den Inhalt einer nahezu unendlichen Datenmenge irgendwie zusammenzufassen. Es geht vielmehr um das menschliche Bedürfnis, vollkommen bedeutungslosen oder zufälligen Dingen irgendeinen tieferen Sinn geben zu wollen.


»Unter ihrer Unschärfe fühlte ich etwas Gestalt annehmen - etwas Wichtiges und Schönes und Folgenschweres.« (S.93)


Ehrlich gesagt ist das für mich aber auch die einzige Aussage, die dieses Buch trifft. Es gibt noch ein paar andere Handlungsstränge, unter anderem will U. unbedingt wissen, warum die Frau, mit der er eine Affäre hat, früher einmal in Turin war. Ein Kollege von ihm wird schwerkrank. Und so weiter. Bestimmte Dinge, die einfach immer mal wieder aufgegriffen werden. Ich habe die ganze Zeit erwartet, dass es am Ende irgendeinen Zusammenhang dazwischen geben wird oder es wenigstens irgendeinen erkennbaren Grund gibt, warum jetzt nun genau diese Dinge so wichtig für U. waren. Aber das Buch war dann halt irgendwie einfach so zu Ende. Und schlauer war ich nicht wirklich.

Ich denke, ich verstehe, warum Tom McCarthy dieses Buch so geschrieben hat. Manche Szenen waren absurd, manche waren ehrlich gesagt einfach etwas öde, manche wiederum philosophisch und zwischen manchen hat man tatsächlich sowas wie einen Zusammenhang erkannt. Und am Ende sitzt man da und versucht verzweifelt irgendeinen zusammenfassenden Sinn in diesem Buch zu erkennen, zieht die unlogischsten Schlüsse, nur um nicht akzeptieren zu müssen, dass manche Szenen eben bedeutungslos und austauschbar waren und nicht zu einem großen Ganzen gehören. Und genau das soll ja eigentlich die Aussage des Buches sein. Nicht hinter allem steckt eine größere Bedeutung, die alles miteinander verbindet.


»Es ist deshalb umso heiliger, werte Herren, da umso wahrer. Die Natur ist sinnlos.« (S.142)


Ich will das Buch dementsprechend nicht als überflüssig oder sinnlos bezeichnen, aber ich hatte keinen Mehrwert davon, es gelesen zu haben. Es war sprachlich sehr ansprechend, aber das ist im Grunde alles, was mir daran wirklich sehr gefallen hat. Ich habe nicht mitgefiebert und war auch nicht wirklich gespannt, was nun der endgültige »rote Faden« sein könnte. Es hat mich auf Dauer eigentlich eher etwas genervt, dieses ständige Umherspringen zwischen zusammenhangslosen Szenen und Themen.

Ich will das Buch weder empfehlen, noch davon abraten, ich denke es ist zu 100% Geschmacksache, ob es einem gefallen könnte oder nicht.

Nichtsdestotrotz danke ich der DVA bzw. der Verlagsgruppe Random House für das Rezensionsexemplar!

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